Zum Artikel „Eiszeit in der Lokalpolitik“ in der SZ vom 09.05.2019

Für den Erhalt und die Förderung des zusammenhängenden Naturraums Wellersberg

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9. Mai 2020 Leserbriefe 0

Bundesweit werden als Antwort auf die Wohnraumknappheit die Ausweisung von Neubaugebieten gefordert. In Siegen fußt die Entscheidung für Neubaugebiete auf unvollständigen Grundlagen und nicht nachvollziehbaren Interpretationen des Wohnungsmarktkonzepts. Die Fokussierung auf Neubaugebiete ist meiner Meinung nach auch keine logische Schlussfolgerung aus diesem Konzept. Eine Analyse des vorhandenen, in nicht unerheblichen Teilen leer stehenden Bestandes, nicht bebauten Grundstücken, Baulücken und möglichen Aufstockungen etc. fehlt offensichtlich !

Im Wohnungsmarktkonzept der Stadt Siegen wird auf S. 11,12 festgestellt, dass die Bevölkerung regional langfristig abnehmen wird und ein Bevölkerungszuzug lediglich zu generieren ist. Des weiteren steht hier: „Nur wenn bedarfsgerecht Wohnbauland an geeigneten Stellen zur Verfügung gestellt wird, können Einwohner dauerhaft an die Universitätsstadt Siegen gebunden und gegebenenfalls neue Einwohner hinzu gewonnen werden. “ Folglich fehlt lediglich das für die jeweiligen Wohnbedürfnisse bzw. Erfordernisse passende Angebot an Wohnflächen (nicht Bauland!)

Ich sehe es so: Erst wenn wir eine qualitätvolle, familiengerechte Stadt mit ausreichend Wohnraum und weichen Standortfaktoren schaffen, kann Siegen Einwohner gewinnen. Wenn  Naherholungsgebiete und Sportplätze für Bauland reduziert oder aufgeben werden kann die Stadt nur verlieren.

Hilfreich wäre eine Analyse die neben der typologischen und quantitativen Erfassung von Leerständen,unbebauten Grundstücken und potentiell möglichen baulichen Erweiterungen auch die individuellen Ziele der jeweiligen Eigentümer erfasst. Erst in Rückkopplung mit diesen Daten kann m. E. eine belastbare Bedarfsprognose an Bauland erfolgen. Die Planung und Erschließung von Baugebieten kostet nicht wenig Geld und noch mehr Zeit. Diese Ressourcen sollten alternativ zur Erfassung, Analyse und Umstrukturierung von Bestand eingesetzt werden. Wenn langfristig kein Zuwachs der Bevölkerung anzunehmen ist bleibt uns der Leerstand schließlich als Hypothek erhalten. 

Auf diesem Weg kann  erreicht werden, dass altersgerechter und geförderter Wohnraum da möglich wird, wo er gebraucht wird: in der Stadt! Dieses eigentliche Problem lösen die Neubaugebiete nicht. Des Weiteren existiert ein großes Potential an familiengerechten Häusern und Wohnungen, die mangels adäquater Alternativen lediglich von Einzelpersonen bewohnt werden.  Selbstverständlich darf der zu priorisierende Umzug der Uni in die Stadt hierdurch nicht leiden. Bei einer solchen Nachverdichtung sollte darauf geachtet werden, dass die Homogenität und architektonische Qualität der vorhandenen städtebaulichen Strukturen nicht gestört wird. Der Giersberg liefert hier derzeit Negativbeispiele.

Die diskutierte Erschließung von Neubaugebieten soll den Berichten nach zum Teil auf Kosten von  Naherholungsgebieten und Sportplätzen erfolgen. Auch nicht vereinsmäßig genutzte, offen zugängliche Sportplätze sind jedoch gesellschaftlich wichtig:  Es sind Orte der sozialen Integration und ein Ausgleich zu einer medial dominierten Welt.

Die Wichtigkeit von Naherholungsgebieten und Sportplätzen steigt mit der Nachverdichtung und der Verlagerung der Uni in die Stadt – diese weichen Standortfaktoren dürfen schon deswegen nicht gemindert werden –  sie müssen erweitert werden.

Siegen , den 09.05.2019

Christian Welter